Mumifizierung

Nach altägyptischer Vorstellung brauchte der Verstorbene seinen Körper, um “weiterleben“ zu können. Das menschliche Dasein wurde nicht durch den Tod beendet, sondern in eine andere Welt versetzt, die als “Jenseits“ bezeichnet wird. Sie ist wie ein Spiegelbild der Welt der Lebenden, das heißt, auch im Jenseits kann oder muss man essen, arbeiten, schlafen oder spielen.

Damit der Verstorbene aber auch so “leben“ kann wie vor seinem Tod, benötigt er seinen Körper. So versuchte man den Leichnam möglichst gut zu erhalten, indem man ihn einbalsamierte und so künstlich mumifizierte. Neben der bloßen Erhaltung der Körper war für die alten Ägypter auch die Bewahrung des natürlichen Aussehens der Mumien von großer Wichtigkeit. So wurde die Haut beispielsweise eingeölt und gesalbt, damit sie nicht hart wurde, sondern geschmeidig blieb. In der Zeit ab 1000 vor Christi Geburt schminkte man die Mumien sogar, klebte ihnen unechte Augenbrauen auf oder legte künstliche Augen in die Augenhöhlen. Außerdem hat man verschiedene Materialien unter die Haut gelegt, damit die Körper weiterhin muskulös aussahen. Die unsterbliche Seele des Verstorbenen sollte seinen Körper wieder erkennen und finden können.

Wer mumifizierte die Toten?
Die Mumifizierung wurde vom Balsamierer, seinen Helfern und Priestern durchgeführt. Der Balsamierer wird in Abbildungen oft mit einem Schakalskopf dargestellt. So nahm er die Rolle des schakalköpfigen Totengottes Anubis ein, der als Wächter über die Friedhöfe galt und auch bei der Mumifizierung und beim Totengericht eine wichtige Rolle spielte. Der Balsamierer mumifizierte die Verstorbenen in seiner Werkstatt, die vermutlich im Freien und in der Nähe eines Gewässers lag, da man zum Reinigen der Körper viel Wasser benötigte. Die Toten wurden auf eine Bahre aus Holz oder Stein gebettet. Die gefundenen Bahren sind meist löwengestaltig geformt und weisen eine kleine Neigung auf, durch die Flüssigkeit ablaufen kann. Die Mumifizierung war ein heiliger Vorgang. Die anwesenden Priester sprachen dabei verschiedene magische Sprüche und vollzogen heilige Handlungen.


Wie wurde mumifiziert?
“Mein Körper bleibt bestehen, er geht nicht zugrunde, er vergeht nicht in diesem Lande“, so lautet ein Einbalsamierungsspruch.

Die Erhaltung des Körpers war nach altägyptischem Glauben von enormer Bedeutung, denn der Verstorbene benötigte ihn auch noch nach dem Tod in der jenseitigen Welt. Es wurde im alten Ägypten fast 3000 Jahre lang mumifiziert. In dieser langen Zeit entwickelten die Menschen beispielsweise neue Techniken oder wandelten ihre Einstellungen zu bestimmten Dingen des Lebens. Damit veränderten sie auch Arbeitsabläufe oder Bräuche. Dazu gehört auch die Technik der Mumifizierung. Bestimmte Techniken waren dabei für bestimmte Zeiten typisch. Dies hilft den Ägyptologen heute, gefundene Mumien zeitlich einzuordnen.

Daher kann der im Folgenden beschriebene Ablauf nicht während der gesamten Zeit so stattgefunden haben! Unser Wissen über die Mumifizierung der alten Ägypter beruht im wesentlichen auf zwei Überlieferungsarten, die man auch “Quellen“ nennt: Die erste Quelle sind die erhaltenen Mumien selbst, die man untersuchen kann. Die zweite Quelle sind Texte, die damals verfasst worden sind, und bildliche Überlieferung aus dieser Zeit.

Der Grieche Herodot, der im 5. Jahrhundert vor Christi Geburt Ägypten bereiste, hinterließ die einzige schriftliche Quelle zur Technik der Mumifizierung aus der Zeit der alten Ägypter. Die Ägypter selbst haben ihr Wissen über das Mumifizieren dagegen nicht niedergeschrieben. Zum einen, weil es sich um eine heilige Handlung handelte. Zum anderen, weil das Wissen als “Firmengeheimnis“ in den Werkstätten nur mündlich überliefert wurde. Schritt für Schritt folgt nun der Ablauf einer Mumifizierung.
  1. Die Entnahme der Organe
    Als erster Schritt bei der Mumifizierung wurden dem Verstorbenen die inneren Organe wie Leber, Lunge, Magen und Gedärme sowie das Gehirn entnommen. Zuerst entfernte man mit einem etwa 40 cm langen Bronzehaken, den man durch die Nase einführte, das Gehirn. Dann goss der Balsamierer in den nun leeren Schädel verschiedene Harze, Wachse und Öle. Im erhitzten Zustand sind diese flüssig und nach dem Abkühlen härten sie aus.

    Mit einem scharfen Steinmesser öffnete man die linke Bauchseite des Verstorbenen, um die Organe zu entnehmen. Lediglich das Herz blieb als Sitz des Denkens und Fühlens im Inneren. Zu seinem Schutz konnte zusätzlich ein Herz-Skarabäus darauf gelegt werden - ein Amulett in Form eines Käfers. Die entnommenen Organe wurden dann gereinigt, mit Salzen getrocknet und schließlich in Leinentücher gewickelt. Mit Ausnahme des Gehirns legte man sie dann in spezielle Gefäße, die sogenannten “Kanopen“, um sie dem Toten mit ins Grab zu geben. Zum Schluss wurde der ganze Leichnam mit Palmwein ausgespült und gereinigt. Allerdings wurden nicht immer alle Organe in Kanopen mitbestattet. Manchmal verblieben einige Organe im Körper oder man legte sie nach der Behandlung in den Körper zurück.
  2. Ein Bad aus Salz
    Die alten Ägypter hatten bereits früh nach Lösungen gesucht, wie man die Verwesung eines toten Körpers verhindern könnte. Sie erkannten, dass die Austrocknung von Leichen vor der Verwesung schützt.

    Im folgenden Schritt legten der Balsamierer und seine Helfer den Körper des Toten für 35 – 40 Tage in Natronsalz. Dieses natürlich vorkommende Salz entzieht dem Körper sämtliche Flüssigkeiten, bewahrt aber seine natürliche Form. Man entnahm ihm daher als erstes die inneren Organe, da sie viel Flüssigkeit enthalten, und behandelte sie ebenfalls mit Natronsalz. Dann füllte man den Körper mit körnigem Natronsalz auf und bedeckte ihn damit. Manchmal wurden in den Körper auch kleine Leinensäckchen gelegt, in denen Natronsalz war. Diese Methode hatte den Vorteil, dass feuchte Natronsäcke leicht ausgetauscht werden konnten. Insgesamt wurde das Körpergewicht des Verstorbenen durch die Austrocknung um 3/4 verringert.
  3. Verschließen des Körpers
    Nachdem der Körper vollständig ausgetrocknet war, wusch man ihn und begann ihn mit verschiedenen Salbölen einzureiben. Da die Bauchhöhle durch die Entnahme der Organe leer war, füllte der Balsamierer sie mit unterschiedlichen Materialen wieder auf. Zum Beispiel benutzte er Sägespäne, Leinen, Natronpakete, in seltenen Fällen Nilschlamm. Bei zwei Pharaonen fand man duftende Flechte und Eichenmoos. In die ausgetrockneten Augenhöhlen legte man manchmal kleine Küchenzwiebeln oder künstliche Augen. Direkt unter die Haut schob man gelegentlich Leinentücher, um Muskeln nachzuahmen. Zum Schluss wurde die Bauchdecke mit Leinenbäuschen verstopft, sehr selten auch vernäht.

    Der ganze Körper wurde dann mit dunklen Harzen bedeckt, welche der Mumie ihren Namen gaben. Die Araber, die Ägypten im 7. Jahrhundert nach Christi Geburt erobert haben, nannten sie wegen der dunklen Färbung der Harze “mumiya“, nach dem arabischen Wort für Erdpech (Bitumen).
  4. Die Mumie wird eingewickelt
    Bevor der Verstorbene von seinen Angehörigen in einem Grab bestattet werden konnte, musste der Körper in Leinenbinden oder Leinentücher eingewickelt werden. Diese konnten mehrere hundert, manchmal sogar tausend Meter Länge erreichen. Das Leinen wurde oft aus alten Kleidungsstücken und Laken gewonnen.

    Der gesamte Körper, vom Kopf bis zu den Füßen, wurde umhüllt, sogar jeder einzelne Finger wurde dabei bandagiert. Manchmal hat man den Toten auch auf ein Brett gelegt und dann erst mit Binden umwickelt, um der Mumie einen festeren Halt zu geben. Mittels verschiedener Öle oder Harze, die auf die Binden gestrichen wurden, verklebten die Binden miteinander. Die Leinenbinden wurden oft mit magischen Texten und Abbildungen verziert, oder es wurden kleine Amulette zwischen sie gesteckt. Beides sollte den Toten vor Gefahren schützen und ihm beim Übergang ins “Jenseits“ helfen. Dabei war fest vorgeschrieben, an welcher Stelle des Körpers welches Amulett seinen Platz hatte. Anschließend wurde die Mumie mit weiteren Leinentüchern umwickelt und zum Schluss mit Perlenketten, Blumenschmuck oder einer Totenmaske versehen. Insgesamt dauerte das Einwickeln der Mumie etwa 15 Tage.
Die Mumie ist fertig, was passierte danach?
Die Mumifizierung dauerte insgesamt etwa 70 Tage, wobei allein etwa 35 bis 40 Tage die Austrocknung des Körpers brauchte. Die Mumie wurde anschließend in einen Sarg oder in mehrere ineinander geschachtelte Särge gelegt und in einem Grab bestattet. Im Laufe der Jahrtausende veränderten die alten Ägypter die Sargform für ihre Verstorbenen. Bis etwa 1500 vor Christi Geburt wiesen die Särge eine Kastenform auf, später wurden sie in Mumienform gestaltet. Ein Sarkophag, ein Außensarg aus Stein, wurde nur bei Königen und Angehörigen der Oberschicht benutzt.

Die ländliche oder ärmere Bevölkerung konnte sich in der Regel eine so aufwendige Balsamierung nicht leisten. Sie wurden daher in einfachen Gruben in der Wüste begraben und hofften auf eine natürliche Mumifizierung im heißen Wüstensand. Viele dieser einfachen Bestattungen wurden bis heute nicht gefunden. Daher gibt es nur sehr wenige ägyptische Naturmumien.

Früher war es erforderlich, Mumien auszuwickeln, um sie zu untersuchen. Heute ermöglicht moderne Technik wie Röntgengeräte oder Computertomographen, die Mumien unversehrt zu erhalten und trotzdem zu erforschen.