Ausbildung

Ausbildung in unserem Sinne, mit Schulbesuch, Lehre oder Studium, hat es in Ägypten nicht gegeben. Dort organisierten die verschiedenen Berufe ganz unterschiedliche Ausbildungswege. In den handwerklichen Berufen wurde das Wissen vom Vater auf die Söhne oder in größeren Gruppen von einem Meister auf seine Lehrlinge weitergegeben. Zukünftige Handwerker mussten dabei nicht unbedingt vorher einen Unterricht in Lesen und Schreiben absolviert haben, die Jungen wurden statt dessen von Anfang an in den Werkstätten beschäftigt und lernten so ihr Handwerk.

Auch die
Schreiber konnten ihre Söhne selbst ausbilden, indem sie ihnen die Grundlagen der Hieroglyphenschrift, also Lesen und Schreiben, beibrachten. Doch da der Staat viele gut ausgebildete und in allen Abteilungen der Verwaltung einsetzbare Schreiber brauchte, entstanden in den Tempeln und in den großen Verwaltungsbüro Schulen, in denen Jungen zu Schreibern ausgebildet wurden.

Ganz wichtig ist dabei folgende Tatsache: In Ägypten konnte sich niemand seinen Beruf einfach frei auswählen. Ein Handwerkersohn konnte nur das Handwerk seines Vaters ergreifen, ein Junge aus der Landbevölkerung blieb in der Regel auf dem Land und wurde Bauer wie sein Vater. Die Söhne der Beamten waren von vornherein vorgesehen, zu Schreibern und damit zu Beamten ausgebildet zu werden; es ist kein Fall bekannt, dass ein Beamtensohn ein Handwerk wie Tischlerei, Schmuckherstellung oder Sattlerei ergriffen hätte. Für Mädchen gab es sogar noch weniger Möglichkeiten, denn sie waren von einer formalen Ausbildung wie zum Schreiber oder zu einem Handwerk ausgeschlossen, sie wurden zu Hause von der Mutter oder anderen Frauen der Familie in alle Arten der Haus- und Familienarbeit eingeführt. Die einzigen “Berufe“, die für Mädchen zu belegen sind, haben mit Musik und Tanz zu tun, wofür man ja auf jeden Fall eine Ausbildung benötigt. Wie diese jedoch aussah, welche Mädchen Musikantin oder Tänzerin werden konnten, das ist wiederum nicht überliefert.

Es wird oft behauptet, Frauen hätten den “Beruf“ Priesterin ergreifen können, doch das stimmt so nicht. Priester und Priesterin war nämlich kein Beruf, sondern eine soziale Position. Das heißt, Beamte und höhere Handwerker leisteten als Teil ihrer Arbeit für die Allgemeinheit umschichtig Dienst an den Tempeln, ebenso ihre Frauen. Sie durften sich dann als “Priester“ oder “Priesterin“ des betreffenden Gottes bezeichnen, was für sie eine Ehre war. Aber ein Ausbildungsberuf war es nicht. Am Hof des Pharaos wurden die Prinzen in einer Art Palastschule erzogen, wo sie alles lernten, was auch ein zukünftiger Beamter zu lernen hatte, außerdem gab es natürlich Unterricht in “Hofetikette“. Der König ließ oft die Söhne seiner wichtigsten Beamten zusammen mit seinen eigenen Söhnen erziehen.

Über die Prinzessinnen wissen wir gar nichts, doch können wir uns nicht vorstellen, dass die spätere Königin Hatschepsut nicht lesen und schreiben konnte. Wie allerdings der Unterricht der Prinzessinnen aussah, ob auch sie mit den Töchtern hoher Beamter zusammen erzogen wurden, darüber gibt es leider keine Überlieferungen!